Für eine mobile und nachhaltige Zielgruppe: Was können Pappmöbel?

Möbel aus Pappe – was sich anhört wie ein leicht knickbares Provisorium hat längst seinen Platz in der Einrichtungswelt gefunden. Denn sie sprechen die eher noch mobile junge Zielgruppe an. 

Sogar ein Bett aus Wellpappe ist möglich: Das Material ist stabiler als man denkt. Hier ein Beispiel von „Room In A Box“. Bild: Chris Abatzis/Room In A Box/dpa

Landsberg/Köln. (dpa) Sie sind ein Nischenprodukt, aber keines, das sich auch in einer Nische verstecken müsste: Möbel aus Pappe. Sie haben sich vom Provisorium zum vollwertigen Einrichtungsprodukt gemausert. Von Betten über Regale bis hin zu Tischen und Lampen findet sich vor allem online eine große Auswahl von Pappmöbeln – und die sehen eigentlich aus wie vergleichbare Möbel aus anderen Baustoffen. „Pappmöbel haben vor allem jüngere Fans“, sagt die Einrichtungsexpertin Gabriela Kaiser aus Landsberg am Lech. Denn während ältere Menschen häufig mehr Wert auf Polster und Komfort legen, hat bei der jungen Zielgruppe die Flexibilität Priorität. Besonders wenn man noch Umzüge vor sich habe, profitiere man von dem schnellen Auf- und Abbau sowie dem leichten Transport, so Kaiser.

Fokus auf Nachhaltigkeit

Doch es gebe da noch auch eine weitere, gerade stark wachsende Zielgruppe – die umweltbewusst ist und den Fokus auf Nachhaltigkeit legt, sagt Ursula Geismann, Geschäftsführerin der Initiative „Furnier + Natur“. In Kombination mit dem minimalistischen Design träfen Pappmöbel damit den Zeitgeist. Auch der Trendforscher Frank A. Reinhardt sieht das so. Zwar sagt er: „Ich verbinde Pappkartons vor allem mit Umzug und Stress.“ Doch wenn diese Assoziation durch ein „pfiffiges, individuelles Design“ aufgelöst werde, können Pappmöbel „ein Statement für eine mobile und nachhaltige Gesellschaft“ sein. Individuell sind gerade die Kindermöbel aus Pappe, die häufig für Kindergärten angeboten werden – aber natürlich daher auch im Kinderzimmer Platz finden können. Sie lassen sich teils ganz nach dem eigenen Geschmack verändern – sie lassen sich bemalen, bekleben und tapezieren. Von Vorteil für die Kleinen: Das geringe Gewicht nimmt den Möbeln eine potenzielle Verletzungsgefahr, sagt Thomas Wyschkon, Geschäftsführer des Herstellers Papercomb.

Für hohe Belastung geeignet

Doch halten die Möbel das Toben der Kinder und das Gewicht Erwachsener überhaupt aus? „Konstruktionen aus Wellpappe werden auch im Bereich der Schwertransporte verwendet und sind für eine hohe Belastung geeignet“, erklärt der Gründer vom Hersteller „Room in a Box“, Gerald Dissen. Durch die mehrschichtige Wabenstruktur verteilt sich das Gewicht gleichmäßig, wodurch ein leichter Karton schweres Gewicht aushält. „Wellpappen-Konstruktionen sind sehr stabil“, sagt auch die Möbelexpertin Ursula Geismann. Ein klassisches Bett ist für 150 bis 200 Kilogramm ausgelegt. Fliehkraft- Tests haben Geismann zufolge gezeigt, selbst wenn man sich mit Schwung auf ein Pappbett schmeißen würde, die meisten bis zu 1000 Kilogramm aushalten. Und je nach Qualität haben Pappmöbel eine Lebensdauer zwischen sechs und zehn Jahren. „Natürlich kommt es darauf an, wie man damit umgeht und ob beispielsweise ein Haustier die Möbel anknabbert“, sagt Geismann. Die Leichtbautechnik versteckt sich übrigens auch in manchen Möbeln, die nicht nach Pappe aussehen, sagt Design-Journalist Frank A. Reinhardt. Denn um Gewicht zu sparen, bestehen Platten von Schreibtischen und Schranktüren in ihrem Inneren aus Pappe. Das erleichtert nicht nur den Transport, sondern spart dabei Transportenergie, was wiederum zu einer besseren ökologischen Bilanz beiträgt. Außerdem lassen sich Pappmöbel dank durchdachtem Design sowie Falt- und Stanztechnik ohne weitere Montageteile wie Schrauben und Kleber zusammenbauen – auch dies ist nachhaltig. Je nach Hersteller werden Pappmöbel zudem aus 75 bis 95 Prozent Recyclingpapier hergestellt – ebenfalls ein Umweltplus. Haben die Möbel dann doch einmal ausgedient, können sie oft im Altpapier entsorgt und somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. „Eine fachgerechte Entsorgung ist für den Nachhaltigkeitsaspekt entscheidend“, betont Reinhardt. Damit die Möbel ein langes Leben haben, ist es wichtig, sie von Wasser, aber auch von Feuer fernzuhalten. Ein umgeschüttetes Glas Wasser stelle zwar für den Papptisch oder -hocker kein Problem dar, man sollte es jedoch schnell aufwischen, um stehende Nässe zu vermeiden, rät Geismann. Zur Reinigung empfiehlt die Möbelexpertin ein nebelfeuchtes Tuch.

Im Bad nicht sinnvoll

In dem Zusammenhang sollte man wissen: „Die Verwendung von Pappmöbeln ist nur für bestimmte Anwendungsbereiche und Räume sinnvoll, so macht die Verwendung von Pappmöbeln im Badezimmer oder im Outdoor-Bereich keinen Sinn“, sagt Reinhardt. Und wenn Kerzen auf den Pappmöbeln stehen oder in den Räumen mit diesen Stücken geraucht wird, warnt der Möbelexperte vor einer höheren Entflammbarkeit im Vergleich zu anderen Möbeln. Ob es die Pappmöbel von der Nische auch in den Mainstream schaffen, bleibt trotz der trendigen Kaufargumente für diese aber fragwürdig. Viele Menschen werden weiterhin Holzmöbel bevorzugen, erwartet die Trend-Analystin Kaiser. Gleichzeitig ist sie überzeugt: „Die Zielgruppe für Pappmöbel wird weiter wachsen.“ Denn umweltbewusste Materialien werden immer wichtiger und Pappe sei deutlich nachhaltiger als billiger Pressspan.

„Konstruktionen aus Wellpappe werden auch im Bereich der Schwertransporte verwendet und sind für eine hohe Belastung geeignet.“

Gerald Dissen, Gründer von „Room in a Box“ 

Flexibleres Wohnen ermöglichen so machen Pappmöbel: Dieses Regalmodul zum Beispiel lässt sich schnell und ohne Werkzeug aufbauen – und auch immer wieder verändern. Bild: Room In A Box/dpa

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