Inspiration aus dem All

Wie entstehen neue Produkte? Hat man sich auf der Mailänder Möbelmesse umgesehen, zeigte sich bei den Leuchten eine ganze Bandbreite der Inspirationen. Manche Designer setzen auf Obst, andere greifen nach den Sternen.

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Die Leuchte namens „Sun the light of love“ von Tord Boontje für Foscarini besteht aus 390 Strahlen. Bild: Foscarini/dpa-tmn

Mailand. (dpa/tmn) Leuchten hatten früher nur einen Zweck. Sie machten Licht, wo es dunkel war. Heute ist das anders – sie setzen Akzente, sorgen für die Stimmung und sind der Hingucker im Raum. Zurück geht dieser Wandel unter anderem auf das Aus der Glühbirne und die dadurch erfolgte Weiterentwicklung der Technologien. LEDs können heute noch mehr möglich machen.

Neuer Ankerpunkt

„Durch LEDs und neue Technologien haben wir ganz andere Möglichkeiten, Licht zu denken und mit Licht zu arbeiten“, erklärte der deutsche Designer Sebastian Herkner auf der Leuchten-Messe Euroluce vergangene Woche in Mailand. „Man braucht nicht mehr unbedingt dieses große Glasobjekt oder diesen Textilschirm außenrum, weil das Leuchtmittel wesentlich kleiner ist. Man kann es zum Teil auch verstecken.“

Aus dem einst eher zweckmäßigen Licht im Raum wurde so ein neuer Ankerpunkt für innovatives Design – optisch wie technologisch. Allzu gerne suchen sich die Designer derzeit Inspiration fernab aller üblicher Räume – im All.

Die Sonne ist Vorbild für eine der neuen Leuchten des italienischen Licht-Spezialisten Foscarini. Ihr Name: Sun the light of love. Dafür hat der Designer Tord Boontje 390 Strahlen so angeordnet, dass das Licht im Kern abgeschirmt und zugleich reflektiert wird. Das nimmt einer Sonne ihr grelles Strahlen und schafft ein weiches Umgebungslicht sowie zugleich eine Akzentbeleuchtung für die darunterliegende Fläche.

Durch LEDs und neue Technologien haben wir ganz andere Möglichkeiten, Licht zu denken und mit Licht zu arbeiten.

Sebastian Herkner, Designer

Ebenfalls den Stern setzt Arturo Alvarez in den Mittelpunkt seiner Leuchte Aimei. Sie versprüht Leben, Licht und Wärme – hier dargestellt durch viele Strahlen aus Holz, die wirbelhaft von der Sonne abgehen.

Artimede geht neue Wege bei der Form der Leuchte: La Linea ist ein flexibler LED-Schlauch, der sich ohne gestalterische Vorgaben an der Wand, der Decke, an einem Fenster und auch überall draußen – in großer Hitze wie auch bei Frost – nutzen lässt. „La Linea kann wirklich jede Form annehmen und ist auf viele 100 Meter zusammensetzbar“, erklärt Jacob Lange vom Designstudio BIG, der die Leuchte entworfen hat.

Daraus lassen sich – theoretisch – auch ganz neue Funktionen für die Leuchten erschließen: So zeigt Artemide bei der Video-Präsentation der zum Patent angemeldeten Technologie am Rande der Messe, wie Kinder mit den flexiblen LEDs spielen, als wären sie Poolnudeln. Ansonsten aber wird dem Käufer abverlangt, dass er selbst zum Designer des Design-Produktes wird: Der Schlauch kommt aufgerollt ins Haus und muss dann erst einmal kreativ verarbeitet werden.

Leuchte und Musikbox

Ähnlich wie La Linea wirkt zunächst der Entwurf Interweave von Pallavi Dean, ebenfalls für Artemide. Im Zentrum stehen die tragenden Zylinder mit nach unten gerichtetem Leuchtmittel. „Das ist nicht nur eine weitere hübsche Leuchte, das ist auch eine Musikbox“, erklärte Designerin Dean bei der Präsentation. Und es ist ein Temperatur- und Luftfeuchtefühler, alles anwählbar via App.

Eine Verbindung übrigens, die es künftig häufiger geben wird: Während sich über Boxen längst extra Leuchten per Sprachsteuerung bedienen lassen, werden nun beide verstärkt miteinander in ein Produkt gepackt.

So stellten auch Sonos und Ikea das erste kaufbare Ergebnis ihrer Kooperation am Rande der Mailänder Designwoche vor: Symfonisk ist eine Tischleuchte mit WiFi-Speaker. Trotz der Suche nach neuen Rollen für Leuchten und ihre veränderte Einbindung in die Räume bleibt aber für viele Designer weiterhin die Optik der Schwerpunkt. Allen voran Ingo Maurer mit seiner neuen Pendelleuchte „La Festa delle Farfalle“.

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Einrichter Ikea und Lautsprecher-Experte Sonos haben ihre Produkte in einer Kooperation verbunden – herausgekommen ist Symfonisk – entweder als Tischleuchte mit WiFi-Speaker (rechts) oder als Regal mit WiFi-Speaker. Bild: Ikea/dpa-tmn 

 

Faszinierendes Schattenspiel

34 filigrane Schmetterlinge aus Papier sitzen auf einem Gerüst, das an einen Strauch mit dünnen Zweigen erinnert. Es ist so zart, dass es mit etwas Abstand zur Leuchte wirkt, als würden die Insekten frei schweben.

Das Licht der Leuchte strahlt aus einem Teller nach unten auf den Tisch und gleichermaßen nach oben zu den Tieren, wodurch sich ein faszinierendes Schattenspiel an der Decke ergibt.

Der eigentliche Hingucker ist aber der Teller: Auf ihm liegen wie Früchte in der Obstschale drei Glühbirnen, von denen eine Libelle zu naschen scheint. Man muss hierzu wissen: Ingo Maurer ist ein erklärter Fan der guten alten Glühbirne – und er nutzte sie schon öfter als Art Obst, umschwirrt von Schmetterlingen.

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Ingo Maurers neue Pendelleuchte „La Festa delle Farfalle“ zieren 34 Schmetterlinge und eine Libelle aus Papier. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, das letztere an ein paar Glühbirnen sitzt und scheinbar daran nascht. Bild: Ingo Maurer/dpa-tmn

 

Leuchtende Weintraube

Er ist nicht der einzige Designer, der für seine Leuchten auf süße Früchte setzt: Aktuell erweitert Sebastian Herkner seine Stellar Grape-Serie für Pulpo – im Grunde eine leuchtende überdimensionale Weintraube – um eine hängende Variante. Die Idee, aus der ersten Wandleuchte Stellar wall one, die noch eine einzelne Kugel war, eine Traube zu machen, lag damals nahe, berichtet Herkner in Mailand.

„Wir wollten nicht nur einen Stab mit einer Kugel dran haben. Daher haben wir überlegt, wie wir das anders interpretieren können – und so ist dann die Grape entstanden.“

Und Andrea Branzi macht einen roten Apfel zum zentralen Element seiner neuen Stehleuchte für Nemo namens „Newton“. Damit setzt er einen Kontrapunkt zu den vielen extraterrestrischen Inspirationen seiner Designerkollegen.

Er ließ sich nicht von den Gestirnen und dem All inspirieren, sondern von einem Gewächs der Erde, dass dazu Isaac Newton, dem Namensgeber der Leuchte, auf seine Lehre zur Schwerkraft gebracht hat. Ihm soll nämlich ein Apfel auf den Kopf gefallen sein.

 

 


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