Natürliche Klimaanlage

Verwunschen und wunderschön wirken Häuser, die rundherum von Efeu und Wein bedeckt sind. Das hat auch einen echten baulichen Vorteil: Die Begrünung ist Teil moderner energetischer Sanierung.

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Eine grüne Pflanzenschicht ums Haus wirkt ähnlich wie eine Dämmung. Bild: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Berlin/Köln. (dpa/tmn) Im Herbst leuchten sie in strahlenden Farben: Hausfassaden, an denen Wein und andere Kletterpflanzen emporranken. Eine bepflanzte Hauswand ist aber nicht nur optisch ein Highlight. Sie hat vor allem Vorteile, die den Bewohnern und der Umwelt das ganze Jahr über zugutekommen. „Grüne Dächer und Fassaden sind natürliche Klimaanlagen“, sagt Gunter Mann, Präsident des Bundesverbandes GebäudeGrün in Berlin. Die Feuchtigkeit, die die Pflanzen binden, verdunstet langsam und kühlt die Umgebung. Das schützt im Sommer vor Hitze. Und im Winter halten die Pflanzen die Wärme im Haus, weil sie es als zusätzliche Dämmschicht umhüllen. „Außerdem binden sie Feinstaub und schützen vor Lärm“, ergänzt Mann. Das Begrünen von kleinen Gebäuden wie dem Müllcontainer-Häuschen, der Garage und dem Schuppen kann der Laie selbst übernehmen. „Beim Wohnhaus muss allerdings ein Fachmann ran“, rät Mann. Denn das Gewicht der Erde, der Pflanzen sowie des abgefangenem Regenwassers verändert die Statik des Gebäudes. Das kann besonders auf dem Dach zu großen Problemen führen. „Steht das Wasser nur zehn Zentimeter hoch, entsteht ein zusätzliches Gewicht von 100 Kilogramm pro Quadratmeter“, erklärt Manfred Gunkel vom Zentralverband des Dachdeckerhandwerks in Köln. „Deshalb muss unbedingt ein Statiker die Unterkonstruktion auf ihre Tragfähigkeit prüfen. Sonst kann es passieren, dass das Dach einstürzt.“ Viele Bestandsgebäude haben nicht genügend Traglastreserve für ein Gründach. „Aber beim Neubau kann man das höhere Gewicht von vornherein mit einplanen“, so Gunkel.

 

Alles, was sich im Steingarten wohlfühlt, gedeiht auch auf dem Dach.

Gunter Mann, Präsident des Bundesverbandes GebäudeGrün

 

5 bis 15 Prozent Neigung optimal

Optimal für die Begrünung sind Dächer mit 5 bis 15 Prozent Neigung. „Von denen fließt das Wasser von allein ab. Bei reinen Flachdächern ist eine zusätzliche Dränage notwendig“, erklärt Ramona Ballod von der Verbraucherzentrale Thüringen. Steilere Dächer eignen sich weniger. Denn je steiler sie sind, desto größer die Gefahr, dass die Bepflanzung abrutscht. „Fachleute können aber auch Dächer bis 45 Grad Neigung begrünen“, hält Branchenexperte Mann dagegen.

Extensive Dachbegrünung

Man unterscheidet zwischen extensiver und intensiver Dachbegrünung. Letztere ist sehr aufwendig und mit Gärten auf dem Boden vergleichbar, die betreten und gepflegt werden. Die meisten Hausbesitzer entscheiden sich aber für die erste Variante, die weniger aufwendig ist. „Dabei wird das Dach mit trockenheits- und hitzebeständigen sowie frostunempfindlichen Pflanzen ausgestattet, die alleine klarkommen“, erklärt Ballod. „Lediglich etwa ein bis zweimal pro Jahr muss der Fremdbewuchs entfernt werden.“ Geeignet sind dafür vor allem sukkulente Pflanzen wie Fetthenne und Dachwurz, des Weiteren nicht sukkulente, trockenresistente Staudenarten sowie Gewürzpflanzen und Nelken. „Alles, was sich im Steingarten wohlfühlt, gedeiht auch auf dem Dach“, fasst Mann zusammen. Für Dächer gibt es spezielle Substrate, einfache Gartenerde ist nicht geeignet. Die Stärke des Substrats sollte mindestens 6 bis 8, optimalerweise aber 12 bis 15 Zentimeter betragen.

Keine Selbstklimmer

Wer Fassade begrünt, muss die Wahl der Pflanzen von der Bauweise abhängig machen. Sogenannte Selbstklimmer, die sich von alleine an der Fassade emporranken, dürfen nur auf intakte, fugenlose Aufbauten ohne Außendämmung treffen. „Die Triebe von Selbstklimmern würden in Fugen und Spalten hineinwachsen und durch Dickenwachstum Schäden an der Fassade verursachen“, erklärt Mann. Insgesamt gilt: Bei vorgehängten und hinterlüfteten sowie holzbekleideten Fassaden, wärmegedämmten Vorsatzfassaden und Trapezblechwänden sind Selbstklimmer keine gute Idee. Dazu gehören auch die beliebten Wärmeverbundsysteme. Hier empfehlen Experten Gerüstkletterpflan- zen und wandgebundene Begrünungssysteme. „Wichtig ist, die grüne oder bunte Fassade gut zu pflegen. Dann kann sie sehr lange leben“, ergänzt Ballod. Die Pflanzen müssen regelmäßig gestutzt werden, damit Regenrinnen und Fenster nicht zuwachsen. „Und man muss bedenken, dass die bepflanzte Hausfassade auch für Insekten attraktiv ist.“ Angst vor Spinnen und anderen Insekten sollte man also nicht haben.


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