Streitpunkt Nestbau

(dpa/tmn) Für manche Menschen ist ein eigenes Haus fester Teil der Lebensplanung. Sie möchten einen Ort haben, der ihnen gehört und den sie gestalten können. Ein Nest für die Familie, ein Rückzugsort, eine Heimat. „Erwartet werden da manchmal wahre Wunderdinge. Doch dann stellen die Leute beim Bau fest, dass es massive Probleme gibt“, erzählt Diplom-Psychologe Laszlo Andreas Pota aus Lübeck.

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Für Kinder bedeutet die Zeit des Hausbaus Verzicht auf vieles. Nur für sie und Unternehmungen können sich die El-
tern aber etwa jeden Samstagnachmittag Zeit nehmen. Bild: Westend61/dpa-tmn

Was häufig unterschätzt wird: Die Zeit während eines Hausbaus ist äußerst belastend. Meistens läuft es nicht wie geplant, immer wieder gibt es Probleme, manchmal auch finanzielle. Das Paar hat nur wenig Zeit füreinander – und auch für die Kinder. Freunde und Hobbys werden vernachlässigt. Damit nicht noch zusätzlich Stresssituationen und Spannungen entstehen, empfehlen Experten, sich schon vorab Gedanken zu machen und vieles zu bereden.

Inseln und Erholungsphasen

„Man sollte in der Familie offen kommunizieren, dass nun eine stressige Zeit bevorsteht“, empfiehlt Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen in Berlin. Denn je nach Charakter gehen die Menschen unterschiedlich mit der Belastung um. So stürzen sich einige ins Abenteuer und denken, es wird schon gut gehen. Andere planen extrem viel und sorgen sich sehr um die Finanzen.

Gut ist, sich klarzumachen, dass das folgende Jahr zwar sehr aufreibend wird, danach jedoch wieder ruhigere Zeiten anstehen. Für Kinder ist ein solcher Zeitraum zu lang. Ihnen kann etwa gesagt werden, dass es zwar hektisch wird, sich die Eltern jedoch jeden Samstagnachmittag nur Zeit für sie nehmen werden. Solche Inseln und Erholungsphasen sind auch für die Partnerschaft wichtig. „Man sollte sich ein bis zwei Abende in der Woche Zeit nur für sich als Paar nehmen“, rät Seifried. Dabei muss nichts Großartiges anstehen, man kann auch nur zusammensitzen und reden. Wichtig ist aber, dass es mal nicht um das Thema Hausbau geht. Empfehlenswert ist es auch, sich während der Bauzeit die Fortschritte bewusst zu machen und diese ein wenig zu feiern.

Man sollte in der Familie offen kommunizieren, dass nun eine stressige Zeit bevorsteht. Klaus Seifried, Psychologe

Auch wenn das Leben das meist nicht zulässt: Am besten wäre es, den Hausbau anzugehen, wenn sonst keine stressigen Umstände den Alltag bestimmen, etwa die Betreuung kleiner Kinder und die Pflege von Eltern. Das gleiche gilt für beruflich stressige Perioden. Lässt sich all das nicht vermeiden, müssen Wege gefunden werden, Stresspotenziale während der Bauzeit abzubauen: Vielleicht können die Großeltern die Kleinen häufiger betreuen? Oder kann die Arbeitszeit verringert werden?

Kommt es während des Hausbaus doch zu Problemen, ist es wichtig, dass auf alle Fälle nicht beide Partner in Pessimismus versinken. „Der Partner sollte sich nicht mit herunterziehen lassen, sondern gezielt sagen, was ihm gut gefällt“, empfiehlt der Ehe- und Familientherapeut Lothar J. Hellfritsch aus München.

Dinge langsam angehen

Um den anderen aufzumuntern, kann deutlich gesagt werden, was schon alles erreicht wurde oder welche Krisen das Paar gemeinsam schon bewältigt hat. „Man sollte auch einen innerlichen Abstand bewahren und sich klarmachen, dass man nicht alles auf einmal machen muss und die Dinge auch langsam angehen kann“, rät Seifried.

Äußerst problematisch kann die Zeit des Hausbaus bei Paaren werden, deren Beziehung ohnehin nicht gut steht. „Manchmal soll ein gemeinsames Haus eine Ehe kitten“, so Hellfritsch. Das kann durchaus funktionieren, doch es kann auch ein böses Erwachen geben. Der zusätzliche Stress während des Hausbaus kann eine ohnehin schon angespannte Situation zum Eskalieren bringen und sogar zum endgültigen Bruch führen.

Doch auch das Gegenteil kann möglich sein: Das gemeinsame Projekt Hausbau könnte ein Paar in der Beziehungskrise durchaus wieder zusammenbringen. Fraglich ist allerdings, wie lange die neu gewonnene Eintracht hält. Denn wenn der Bau fertig und man eingezogen ist, stellen viele Menschen fest, dass sich an dem Ärger von früher nichts geändert hat. Im Gegenteil: Es sind noch neue Probleme dazugekommen.


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