Von der Wohnung zum gemütlichen Nest

(dpa/tmn) Kartons sind teils ausgepackt, Möbel stehen an ihrem angedachten Ort: Und doch ist nach einem Umzug der neue Wohnraum oft lange noch nicht das neue Zuhause. Es fehlt das Nestgefühl. Tina Schneider-Rading hat sich zuletzt viele Wohnungen angesehen.

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Selbst wenn das erste Chaos und die vielen Umzugskartons mal weggeräumt sind, stellt sich bei vielen noch nicht
direkt das Zuhausegefühl in der neuen Wohnung ein. Archivbild: Christin Klose/dpa-tmn

Sie beschreibt sie für das Buch zum „Best of Interior“-Award des Callwey-Verlags, das im Herbst erscheinen wird. Sie erklärt im Interview, dass man sich nach einer solchen Veränderung erst mal einige Wochen Zeit geben muss, um die Wohnung zu erleben. Und erst dann sollte man auch die Dekoration auspacken.

Wie wird aus dem Chaos und dem neuen Ambiente ein Zuhause?

Tina Schneider-Rading: Natürlich möchte man nach dem Umzugsstress endlich ankommen und sich in seinem komplett eingerichteten neuen Zuhause sofort aufs Sofa fallen lassen. Nur: So einfach ist es leider nicht. Wenn die Möbel stehen und die Alltagsgegenstände schon verräumt sind, würde ich die Deko erst mal weglassen. Man muss zuerst ein Gefühl für die neuen Räume bekommen.

Ich stelle also einfach nur die großen Möbel wie Bett, Tisch und Schrank auf – und dann warte ich ab? Tina Schneider-Rading: Genau, das Wichtigste zuerst. Erst mal in Ruhe gucken, wo die großen Möbel stehen sollen. Daran kann man auch noch etwas verändern. Und danach ganz langsam den Raum auf sich wirken lassen und sich fragen: Welches meiner Accessoires möchte ich an welcher Stelle stehen haben? Woran erinnere ich mich als Erstes, wenn ich sage „Mir fehlt jetzt etwas“? Dann kommen einem die Stücke in den Sinn, die gerade wirklich wichtig sind. Mit denen kann ich dann dekorieren – alles andere bleibt erst mal in der Kiste.

Wie viel Zeit sollte ich mir dafür geben? Tina Schneider-Rading: Kommt darauf an, wie viel Zeit man in der Wohnung verbringt. Aber ich würde sagen ein bis vier Wochen.

Wie gehe ich dann vor? Tina Schneider-Rading: Oft landen Dinge erst mal provisorisch irgendwo – und bleiben auch stehen, obwohl sie dort eigentlich total unpraktisch sind. Das kann okay sein. Aber man sollte sich nicht durch seine Dekorationen beherrschen lassen, sondern lieber schauen: Wo ist das Licht am besten? Wo sitze ich am liebsten? Wenn das Sofa an der großen Wand praktisch ist, muss das ja nicht heißen, dass da der Ausblick am schönsten ist. Dann ist es vielleicht gut, einen Sessel dazuzustellen, den man schnell auch irgendwo anders hinrücken kann.

Abwarten und erst mal schauen kann aber auch oft heißen: Die letzten vollen Kartons werden jahrelang nicht ausgepackt. Wie verhindere ich das? Tina Schneider-Rading: Ich rate jedem, vor dem Umzug radikal auszusortieren. Das gilt übrigens auch für Bücher – jedes Buch hat seine Zeit. Man sollte sich nur mit zwei Arten von Dingen umgeben: Erstens mit denen, die man wirklich braucht. Das muss nicht täglich sein, aber regelmäßig. Und zweitens mit Dingen, an denen das Herz hängt.

Wie sinnvoll ist vor dem Umzug das Streichen der Wände in bunten Farben, wenn man noch nicht das Gefühl für den Raum hat? Tina Schneider-Rading: Das hat praktische Gründe. Aber man sollte sich absolut sicher sein, welcher Farbton in welchen Raum passt. Die Farbe wird sich im Laufe des Tages mit dem Sonnenstand verändern. Insofern sollte man zu verschiedenen Zeitpunkten am Tag in der neuen Wohnung gewesen sein, um zu sehen, wie das Licht wechselt

Eine Wand, die ich morgens um 10 Uhr streiche und die dann wunderbar hellgrau strahlt, wird nachmittags um 16 Uhr vielleicht eher fad und trist aussehen. Tina Schneider-Rading, Wohnexpertin

Eine Wand, die ich morgens um 10 Uhr streiche und die dann wunderbar hellgrau strahlt, wird nachmittags um 16 Uhr vielleicht eher fad und trist aussehen. Insofern rate ich, erst mal alles weiß zu lassen.

Wer im Vorfeld schon planen möchte, kann das mit Moodboards tun. Also Ausrisse aus Zeitschriften oder Postkarten sammeln, die einem gefallen, und zu einer großen Collage zusammenstellen. Dazu pinnt man Farbmuster, aber auch haptische Elemente wie Stoff- oder Teppichmuster. So erkennt man, wo es hingehen soll mit dem Raum.

Ein paar Wochen nach dem Umzug fehlt mir noch immer das Gefühl einer Nestwärme. Was kann ich nun tun? Tina Schneider-Rading: Es klingt widersprüchlich, aber Nestwärme entsteht auch, wenn man aktiv wird, die Wohnung verlässt und das neue Umfeld kennenlernt. Zu Hause könnte man mal bewusst auf Sinnliches in der neuen Wohnung achten. Die Geräusche und der Blick aus dem Fenster sind neu und ungewohnt. Man sollte sich bewusst machen, was es alles Positives gibt im neuen Umfeld.

Und schließlich sollte man sich Leute in die Wohnung holen: Neue Freunde, Nachbarn und Kollegen einladen. Ein ganz tolles Zitat von zwei Interior-Designern, das auch in meinem neuen Buch vorkommen wird, lautet: „Der wichtigste Wohlfühlfaktor in einer Wohnung: Menschen, die einem guttun.“

Wie es in einer Wohnung aussieht, ist eigentlich vollkommen egal. Wenn man einen Ort mit glücklichen Erlebnissen verbindet, wird daraus ganz schnell ein Zuhause.


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