Wo ist das Leck?

(dpa/tmn) Im Herbst und Winter ist Hochsaison für Thermografieaufnahmen von Gebäuden. Die bunten Wärmebilder sollen Energielecks am Haus sichtbar machen. Doch nicht jeder Anbieter hält, was er verspricht.

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Zieht es irgendwo? Mit der professionellen Wärmebildkamera lassen sich undichte Stellen an Häusern schnell erkennen. Archivbild: dpa/Tobias Hase

■ Welche Erkenntnisse können Wärmebilder bringen? Thermografieaufnahmen sind eine Möglichkeit, Wärmebrücken, Luftundichtigkeiten und andere Schäden am Gebäude zu erkennen. „Sie sind zum Beispiel vor der Übergabe eines Neubaus sinnvoll“, sagt Klaus Wagner, Leiter des Regionalbüros Kaiserslautern des Verbands Privater Bauherren. „In Kombination mit einem Blower-Door-Test lassen sich Energielecks im Neubau entdecken. Während dieses Tests werden an den Problemstellen zusätzliche thermografische Aufnahmen gemacht. So findet man auch verborgene Schadstellen, an denen sich später Schimmel einnisten würde, wenn sie unbemerkt blieben.“

In bewohnten Gebäuden zeigen Wärmebilder Stellen, an denen Energie verloren geht. „Kein anderes Verfahren eignet sich besser zur Ortung und Visualisierung von Wärmeverlusten“, betont Benjamin Standecker, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes für Angewandte Thermografie in Nürnberg. Vorausgesetzt, die Bilder werden fachgerecht von außen und innen aufgezeichnet und interpretiert.

■ Was bedeuten die roten und blauen Flächen auf den Wärmebildern? In den Aufnahmen von der äußeren Gebäudehülle erscheinen warme und heiße Zonen in Gelb- und Rottönen. Kühle Stellen sind blau bis schwarz. Je mehr Rottöne zu sehen sind, desto mehr Wärme geht verloren, so der Eindruck. Aber der kann täuschen. „Manche Anbieter stellen die Kamera gern so ein, dass die Farben kräftiger erscheinen. Für den ungeübten Betrachter sieht es dann so aus, als ob bei einer tiefroten Hauswand die Wärme vollständig entweicht“, beobachtet Klaus Wagner vom VPB. „Die Hausbesitzer bekommen dann erst einmal einen großen Schreck. Aber die Bilder allein sagen noch nicht viel über den energetischen Zustand des Gebäudes.“

Wichtig ist die richtige Interpretation. Oft sind nämlich nicht Wärmebrücken oder Energielecks Ursache der Rotfärbung auf den Bildern. „Wenn sich an kalten Winternächten die Wärme unter einem Dachüberstand oder hinter dichten Pflanzen an der Außenwand sammelt, wird das auch rot dargestellt“, sagt Andreas Skrypietz, Projektleiter der Klimaschutz- und Informationskampagne „Haus sanieren - profitieren!“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Aber das hat mit baulichen Schäden nichts zu tun. Er rät Hausbesitzern und Bauherren, nur solche Firmen mit Thermografieaufnahmen zu beauftragen, die Bilder auch professionell auswerten und Lösungsvorschläge erarbeiten.

■ Wer braucht Thermografieaufnahmen? „Sie sind eigentlich nur dann notwendig, wenn die herkömmlichen Methoden nicht ausreichen, um gezielt nach Ursachen für Wärmeverluste zu suchen“, sagt Andreas Skrypietz. Aber das sehen diverse Anbieter anders. Thermografie ist absolut in Mode. Nicht nur private Unternehmen, sondern auch Kommunen, Banken und Energieunternehmen machen sich auf die Suche nach Wärmelecks. Ganze Straßenzüge werden thermografiert, und das nicht immer professionell. „Für den einzelnen Hausbesitzer haben solche Wärmebilder kaum einen Wert, sie sind bestenfalls ein Anlass, über das Thema nachzudenken“, so Skrypietz.

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■ Was passiert bei Billiganbietern? Eine professionelle Thermografie inklusive Beratung und Auswertung kostet ab 400 Euro aufwärts. Doch es gibt auch Anbieter, die Wärmebilder für unter einhundert Euro erstellen. „Von denen sollte man sich lieber fernhalten“, rät Benjamin Standecker. Unprofessionelle Thermografie- aktionen kosten den Bauherren nicht nur unnötig Geld, sie liefern auch falsche Ergebnisse. „In den meisten Fällen werden die Gebäude bei diesen Anbietern nur von außen erfasst“, weiß Standecker.

Nutzt ein Bauherr eine solche Thermografieaufnahme, weil er zum Beispiel einen Schimmelpilzbefall an der obersten Geschossdecke seines Altbaus vermutet, hat er schlechte Karten. Denn von außen ist die oberste Geschossdecke überhaupt nicht einsehbar. „Der Bauherr wiegt sich in Sicherheit und der Schimmel wächst weiter.“ Auch Wärmebrücken, die beispielsweise für Schimmelpilzbildung ursächlich sind, undichte Dachbereiche und Bodenluken können alleine mit Außenaufnahmen nicht erkannt werden. „Wer sichergehen will, das die beauftragte Firma seriös ist, sollte zertifizierte Thermografen beauftragen.“

■ Wie funktioniert Thermografie? Thermografie ist eine Methode, um berührungs- und zerstörungsfrei die Wärmestrahlung eines Gebäudes zu beurteilen. „Mit Hilfe einer Wärmebildkamera wird die Wärmeabstrahlung verschiedener Oberflächen sichtbar gemacht. Die Intensität der Abstrahlung wird dann mit Hilfe einer Farb- und Temperaturskala eingeordnet“, erklärt Andreas Skrypietz. Wichtig ist, immer den Außen- und Innenbereich des Hauses zu messen. „Das erfordert gute Vorbereitung und kann zwei bis drei Stunden dauern.“

■ Kann bei jedem Wetter thermografiert werden? Nein, in der warmen Jahreszeit machen die Aufnahmen wenig Sinn. „Am besten werden die Bilder, wenn ein Temperaturgefälle von 10 bis 15 Grad Celsius zwischen den Innenräumen und der Umgebung herrscht“, betont Klaus Wagner. Ideal ist ein trüber Wintermorgen, wenn die Sonne die Fassade nicht erwärmt hat. Oder ein Winterabend, wenn sie schon längere Zeit wieder weg ist. „Zu beachten sind auch andere Umwelteinflüsse wie Wind, Regen, Schnee oder Nebel“, sagt Benjamin Standecker. Thermografieaufnahmen können also nicht Monate im Voraus geplant werden, sondern sind immer von konkreten Witterungsbedingungen abhängig.


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