Zu viele Siegel, kein Überblick

(dpa/tmn) Der Markt für Bio-Produkte boomt: Vor allem im Lebensmittelbereich werden sie immer beliebter. Viele Verbraucher wollen sich aber nicht nur bio ernähren, sondern auch in anderen Lebensbereichen umweltbewusst leben. Handel und Industrie haben das erkannt und werben mit passenden Begriffen – etwa natürlichen Einrichtungen, Bio-Möbeln und ökologischem Design. Das Problem: „Der Begriff Bio ist nur für den Lebensmittelbereich fest definiert“, sagt Barbara Stocker, Referentin für Nachhaltigkeit im Projekt label-online.de der Verbraucher Initiative.

89746770.jpgWissen, worauf man sitzt: Viele Menschen möchten inzwischen nicht nur beim Essen auf nachhaltige und ökologische Produkte setzen, sondern auch bei der Einrichtung. Bild: Rainer Berg/Westend61/dpa-tmn

Ähnliches gilt für Bezeichnungen wie nachhaltig, fair und ökologisch. Letzterer ist auch nur bei Lebensmitteln gesetzlich geschützt, für nachhaltig und fair gibt es keine Vorgaben. „Verbraucher können daher nur schwer erkennen, was damit gemeint ist“, sagt Stocker.

Hilfe im Internet

Doch woran kann man sich orientieren, wenn man auf der Suche nach einer umweltverträglichen Wandfarbe oder einem Tisch aus nachhaltiger Holzwirtschaft ist? Bei insgesamt mehr als 1000 Siegeln in Deutschland verliert man den Überblick. Abhilfe wollen Webangebote wie Label-Online oder Siegelklarheit.de schaffen, das von der Bundesregierung initiiert wurde.

„Für Label-Online wird bewertet, welchen Anspruch ein Label formuliert, wie unabhängig es kontrolliert und vergeben wird und wie transparent dieser Prozess für Verbraucher ist“, erklärt Stocker. Zeichen, die sich der Nachhaltigkeit verpflichten sowie ökologische und soziale Aspekte einbeziehen, sind mit einem grünen „n» für Nachhaltigkeit gekennzeichnet. „Diese kleine Zusatzinformation fließt jedoch nicht in die Bewertung der Labels ein.“

Bei Siegelklarheit.de stehen Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit im Vordergrund. Erzielt das Siegel hier jeweils mehr als 70 Prozent der Punkte, erhält es die Bewertung „Sehr gute Wahl“. „Dadurch wissen die Konsumenten, dass sie dem Siegel vertrauen können“, sagt Silke Peters von Siegelklarheit.de. Einzelne Kategorien für den Bereich Bauen und Einrichten gibt es nur bei Label-Online. Auf Siegelklarheit.de finden sich in der Produktgruppe Holz Beschreibungen von vier Siegeln, die zum Teil auch bei Möbeln eingesetzt werden.

Siegel unterstützen den bewussten Einkauf, und durch externe Kontrollen wird die Einhaltung der Standards sichergestellt. Silke Peters, Siegelklarheit.de.

Zu den Klassikern der nachhaltigen Labels gehört Der Blaue Engel. Er wird vergeben für emissionsarme Fußbodenbeläge, Wandfarben, Tapeten und Lacke, auf Schadstoffe geprüfte Matratzen, Polster- und Holzmöbel sowie umweltschonende Elektrogeräte. Produkte zertifiziert auch das europäische Umweltzeichen EcoLabel der Europäischen Kommission mit der Euroblume. Die Initiative „Holz von hier“ labelt Produkte und Holz aus regionalem Anbau und aus nachhaltiger Waldwirtschaft.

Nicht weniger glaubwürdig

Doch was ist mit Produkten, die kein Siegel tragen? Laut Peters von Siegelklarheit.de müssen sie nicht per se weniger glaubwürdig sein. „Siegel unterstützen jedoch den bewussten Einkauf, und durch externe Kontrollen wird die Einhaltung der Standards sichergestellt.“ Wer nachhaltige Möbel kaufen möchte, dem empfiehlt Fachbuchautor Marcus Franken auch den Gang zum Flohmarkt, Antiquitätenhändler oder Gebrauchtwarenkaufhaus. Bei den Produkten dort sind Schadstoffe in der Regel schon verdunstet. Bei Neuware empfiehlt Franken, der einen Ratgeber für einen nachhaltigen Lebensstil geschrieben hat, möglichst massive Möbel aus FSC-zertifiziertem Holz zu kaufen. „Die halten länger als Sperrholzmöbel und überstehen auch mehr als einen Umzug.“

150 Euro für Kühlschrank

Während Langlebigkeit im Wohnbereich das Credo sein sollte, gilt bei Elektrogeräten oft das genaue Gegenteil: „Elektrogeräte sind heute um ein Vielfaches sparsamer als noch vor 20 bis 30 Jahren“, sagt Franken. Alte Waschmaschinen, Kühlschränke und Spülmaschinen sollten daher zugunsten neuerer Geräte mit niedrigen Verbrauchswerten ausgemustert werden. „Die Anschaffungskosten haben sich nach relativ kurzer Zeit wieder amortisiert.“

Einen Anreiz für den Wechsel bietet etwa eine Initiative im Internet: Auf Stromspar-check.de gibt es einen Gutschein über 150 Euro für den Austausch eines Kühlschranks, der zehn Jahre oder älter ist. Getragen wird die Initiative von der Aktion des Deutschen Caritasverbandes und des Bundesverbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands.

Beim Kauf sollte man sich auch hier nicht von Labels aufs Glatteis führen lassen: Elektrogeräte mit dem Energielabel A sind inzwischen Standard. Die Zahl der Pluszeichen dahinter ist entscheidend: „A+++ konsumiert ein Kühlschrank nur die Hälfte an Strom von A+. Und das rechnet sich“, erläutert Franken.

Ein nachhaltiger Lebensstil lohnt sich auch für diejenigen, die ansonsten nur wenig mit dem Bio- und Nachhaltigkeitstrend am Hut haben: „Wer seinen Energieverbrauch senkt und Sachen aus zweiter Hand kauft, spart vom ersten Tag an Geld ein“, betont Franken.


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