Merkhilfe oder smarter Schlüsselfinder: Verlegtes wiederfinden

Selbst ein gutes Gedächtnis ist mal im Stress – und dann vergisst man schnell, wo man gerade noch den Schlüssel oder das Smartphone hingelegt hat. Aber Experten haben Lösungen–mentale und technische.

Wer einen Schlüssel bewusst an einem festen Ort ablegt, kann sich oft besser an seinen Standort erinnern. Symbolbild: Bernd Diekjobst/dpav

Von Vera Kraft,

Düsseldorf/München.

Wo ist jetzt der Schlüssel hin? Hilfe, mein Geldbeutel ist weg. Und die Brille! Manche Dinge verlegt man gerne mal und muss sich dann immer wieder auf die nervige und zeitaufwendige Suche begeben. Aber sich ständig alles merken, ist ja wohl kaum möglich – oder? Doch, sagen Experten. Aber vorweg eine Frage: Warum vergessen wir eigentlich eben erst Abgelegtes so schnell? Die Alltagsvergesslichkeit hängt häufig mit mangelnder Konzentration zusammen, sagt Gedächtnistrainerin Margit Ahrens. „Oft denken wir mehrgleisig, sind gedanklich schon einen Schritt weiter und achten dann nicht darauf, wo wir den Schlüssel ablegen.“ Ablenkungen wie das Radio, das im Hintergrund läuft, oder die Nachrichten, die man noch eben auf dem Smartphone liest, verhindern ebenfalls Konzentration. Der erste Schritt zur Veränderung ist daher Bewusstheit, sagt Gedächtnistrainer Markus Hofmann. Sein Rat: Wenn man den Schlüssel oder Geldbeutel ablegt, sich davon auch bewusst verabschieden. „In Gedanken sage ich zu meinem Schlüssel dann beispielsweise ,Tschüss, lauf nicht weg, ich komme in drei Stunden wieder.’.“ Dadurch speichere man im Gedächtnis bewusster ab, wo und wann man den Schlüssel abgelegt hat.

Mit Ablageort anfreunden

Eine weitere Strategie sind fixe Ablageorte für gewisse Alltagsgegenstände. Dieser Ort sollte vor allem zu Beginn, wenn man sich ihn erst noch einprägen muss, sehr offensichtlich sein, empfiehlt Margit Ahrens. Sie ist Vorstandmitglied des Bundesverbands Gedächtnistraining (BVGT). Das kann für den Hausschlüssel zum Beispiel eine auffällige Schale auf einer Kommode in der Nähe der Haustür sein. Ahrens rät, diesen Ablageort ebenfalls bewusst einzurichten: „Am besten freundet man sich mit diesem Platz an und gibt ihm einen Namen.“ Wer etwas flexibler sein und sich trotzdem alles merken möchte, braucht vor allem diesen festen Ort im Kopf, sagt Autor und Lerncoach Markus Hofmann. Einen Ort, wo man etwas abspeichert und jederzeit wieder abrufen könne. „Ich nenne das einen mentalen Briefkasten.“ Es geht hier darum, sich nicht nur etwas rational, sondern auch bildlich zu merken – ob die Ablageorte für Schlüssel und Geldbeutel oder auch für ganze Erledigungs- oder Einkaufslisten. Eine beliebte Methode, die sowohl Ahrens als auch Hofmann empfehlen, ist die „Körperliste“. Dabei wählt man feste Stationen am Körper, etwa Füße, Knie, Bauch, Ellenbogen und Augen und verbindet damit jeweils Zutaten oder Aufgaben, die man sich merkenmöchte.Wenn auf der Einkaufsliste beispielsweise Tomaten, Butter und Milch stehen, könnte eine mögliche gedankliche Verknüpfung so aussehen: Die Tomaten stampft man mit den Füßen zu Ketchup, die Butter lässt man in seinen Kniekehlen schmelzen und die Milch bildet einen kleinen See im Bauchnabel. „Das sind Bilder, die vergisst man nicht so schnell“, sagt Gedächtnistrainerin Ahrens. Im Supermarkt kann man dann anhand der Körperstationen die Einkaufsliste durchgehen. Anfangs braucht das zwar etwas Übung, aber irgendwann kommt das Kopfkino von alleine. „Bis dahin kann man die Einkaufsliste als Spickzettel mitnehmen“, sagt Margit Ahrens. Ein Tipp von Markus Hofmann ist übrigens Kreativität bei dieser Listenführung: „Je witziger oder grotesker die Bilder sind, desto besser bleiben sie hängen.“

Ruhe bewahren

Falls es einem aber doch mal passiert, dass man partout nicht mehr darauf kommt, wo man denn nun den Schlüssel abgelegt hat, raten die Gedächtnisexperten zu Ruhe und systematischen Vorgehen. „Erst mal runterfahren und fünfmal tief durchatmen“, empfiehlt Margit Ahrens. Danach den Weg zurückgehen und Schritt für Schritt etwa die Heimkehr rekonstruieren. Hat man beim Öffnen der Tür bereits ans Essen gedacht? Dann ist es gut mögmöglich, dass der Schlüssel neben dem Kühlschrank liegt, sagt Ahrens. Auf der Suche nach einem Gegenstand sollte man die Möglichkeiten immer mehr einkreisen, sagt Markus Hofmann. „Man sammelt alle Details, an die man sich erinnert und geht dabei vom Groben ins Detaillierte.“ Wer sich dennoch nicht allein auf sein Gedächtnis verlassen möchte, kann auch auf Technik setzen. Als Erinnerungshilfen für Aufgaben und Notizen zwischendurch haben sich verschiedene Apps längst im Alltag etabliert, sagt Michael Link, Redakteur des Magazins „c ’t’“. Sollen verlorene Gegenstände gefunden werden, braucht man Geräte, mit denen eine Ortung möglich ist. Das sind oft eine Art Schlüsselanhänger. Die elektrische Ortung ist via Bluetooth oder GPS möglich. Schlüsselfinder, die mit Bluetooth arbeiten, funktionieren recht gut in den eigenen vier Wänden, sagt Link.

Suche über die Crowd

Manche Apps werben darüber hinaus mit der sogenannten Crowd- Suche. Setzt man seinen Tracker in den Verloren-Modus, reagieren die jeweiligen Apps anderer Nutzer darauf und der Besitzer des Bluetooth- Anhängers erhält eine Nachricht über Ort und Zeitpunkt des letzten Kontaktes. Das Problem dabei: Die Apps sind nicht weit verbreitet, die kollektive Suche verläuft daher oft erfolglos. Ausnahmen davon sind laut Link Apples „AirTag“ oder Samsungs „Galaxy Smart Tag“. Hierbei brauchen die Menschen in der Nähe des verlorenen Gegenstands nicht eine spezielle App, sondern lediglich ein modernes iPhone- beziehungsweise Samsung- Smartphone.

GPS-Tracker als Suchhilfe

Die Tracker selbst melden ihren Standort immer wieder mal, wenn irgendein Smartphone mit ähnlicher Technik zufällig in Reichweite kommt. Mittels Mobilfunkverbindung wird dann der Standort an die Besitzer gesendet. GPS-Tracker können laut Link ebenfalls eine praktische Suchhilfe sein, funktionieren aber meist nur im Freien und brauchen deutlich mehr Strom. Die Such- und Merkarbeit vollständig an die Technik abzugeben, ist jedoch nicht sinnvoll, findet Gedächtnistrainerin Margit Ahrens. „Gedächtnistraining ist ähnlich wichtig wie körperliches Training.“ Genauso wie der einmalige Besuch im Fitnessstudio nicht für einen fitten Körper ausreicht, so brauche auch das Gehirn regelmäßig neue Impulse. „Das kann alles sein, was neu für das Gehirn ist“, sagt Markus Hofmann. Sei es das Zähneputzen mit der anderen Hand oder die Zeitung auf dem Kopf lesen – wichtig sei auch, dass es Spaß mache.„

Man sammelt alle Details, an die man sich erinnert und geht dabei vomGroben ins Detaillierte.“

Markus Hofmann, Gedächtnistrainer 

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